Meister

Im vergangenen Jahr hatte ich reichlich Zeit und Anlass, über den Begriff "Meister" nachzudenken und darüber zu diskutieren. Nun trägt das Wort allerdings sehr unterschiedliche Bedeutungen.

Da ist zunächst der ideale Meister, wie ihn uns Filme, Bücher und die Phantasie vorstellen. Stets auf der Seite des Guten, besitzt er fantastische Fähigkeiten und führt den Helden, oder die Heldin, durch hartes Training zur vollen Entfaltung der Kräfte. Dabei kommt sowohl das Motiv des "unbesiegbaren" Meisters vor, der unerreichbar ist und es auch bleibt, als auch das Motiv des "alten" Meisters, der vom Schüler schließlich übertroffen wird. Meiner Meinung nach sollte jeder, der Martial Arts unterrichtet, diesen Ausgang nicht nur als Möglichkeit akzeptieren, sondern geradeheraus als Ziel setzen.

In der Wirklichkeit kommt diesem Fabelwesen vermutlich das Ausnahmetalent am nächsten. Menschen, die durch Fleiß und Begabung außergewöhnliche Fähigkeiten entwickeln nennen wir respektvoll Meister, und wer würde dabei nicht als allererstes an Bruce Lee denken?

Für die meisten von uns, und ich nehme mich selbst da nicht aus, reicht das Talent allerdings auch bei großem Fleiß nur zum Handwerksmeister. Das möchte ich keinesfalls als Geringschätzung verstanden wissen! Schließlich braucht es dorthin schon eine Menge Fleiß. Und das solide Beherrschen der Kunst ist etwas, was die allermeisten die mit Martial Arts beginnen schon deswegen nie erreichen, weil sie lange vor dem Ziel aufhören und sich anderen Dingen zuwenden.

Schließlich gibt es den Meister den ich mir wähle, den Guru, wie man früher gesagt hätte. Wenn wir unsere Lehrer respektvoll (oder auch augenzwinkernd) "Meister" nennen, so ist das tatsächlich weit mehr als eine Geste. Es ist ein Ausdruck des Vertrauens. Und das ist von essentieller Bedeutung in einer Kunst, in der sich letztendlich alles um Verletzen, Verletzbarkeit und Schwäche dreht, den Kehrseiten von Besiegen, Verteidigen und Stärke.

Denjenigen, die selbst danach streben Kampfkunstmeister zu werden, sei der Artikel "Merkmale eines guten Meisters" (im Original: "Qualities of a good master") von Shaolin Wahnam Großmeister Wong Kiew Kit ans Herz gelegt, freundlicherweise von Meister Leonard Lackinger auf seinem Blog für uns ins Deutsche übertragen.

Und was ist jetzt ein "Großmeister"? Das ist ein Ehrentitel. Aber ich bin sicher, dass jeder Großmeister in mehr als einem oben genannten Sinne auch ein Meister ist.

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