Form

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Formen sind ein elementarer Bestandteil aller mir bekannten Kung Fu Stile. Zentral im Wu Shu und T’ai Chi, eher zweitrangig im Wing Chun, aber ein Kung Fu ohne Formen ist nur schwer vorstellbar. Und natürlich gibt es Formen auch in anderen Stilen, im Karate und sogar im Judo!

Dabei kann eine Form, sogar ein und dieselbe Form, ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen! Ganz offensichtlich ist es zunächst eine Übung für Techniken, Abläufe und Kombinationen. Dabei stellt sich natürlich sofort die Frage, ob es nicht effektiver ist, die Techniken einzeln zu wiederholen. In der Zeit, in der ich die ganze Form laufe, kann ich den einen schwierigen Kick schließlich zehn oder zwanzig Mal üben. Und die Antwort darauf lautet selbstverständlich: Ja. Wenn ich nur diesen einen Kick üben will sollte ich genau das tun, und das gilt auch für Kombinationen.

Aber die Form zwingt mich dazu auch andere Techniken in den Blick zu nehmen, die mir vielleicht nicht so liegen. Das führt uns geradewegs auf zwei weitere Aspekte des Formentrainings. Zum einen die Didaktik. Formen erlauben und fördern von Anfang an ein selbstständiges Üben, ob im Training oder zu Hause, und erleichtern damit auch Gruppen unterschiedlicher Niveaus gleichzeitig zu unterrichten. Und zweitens sind Formen eine großartige Mnemotechnik, eine Gedächtnisstütze. Diesen Aspekt unterschätzen wir im Internetzeitalter gerne, aber für das was wir tun, Martial Arts, ist er tatsächlich von zentraler Bedeutung. Man kann Kampfkunst nicht nur aus Büchern lernen. Unsere Überlieferungen sind auch mit YouTube primär Oral, also mündlich weiter gegeben. Und letzten Endes müssen wir jede Technik mit dem Körper lernen und erinnern.

Das setzt allerdings voraus, das wir die Techniken der Form auch tatsächlich verstehen. Denn sonst bleiben wir auf dem Niveau des Anfängers, der versucht die Bewegungen möglichst genau nachzuahmen, ohne jedoch in jedem Fall ihren Sinn zu verstehen. Nicht selten enthalten Formen Elemente, deren Bedeutung im Verlauf der Zeit verloren gegangen ist, und die so zu reinem Dekor wurden. Im Taijiquan wiederum kann jedes Element für mehrere Techniken stehen, die in der Form bestenfalls angedeutet sind. Die Form fungiert dann als Eselsbrücke für den Eingeweihten.

Die Anweisung, man solle sich beim Laufen der Form einen Gegner vorstellen, ist eine Aufforderung den Sinn der Bewegungen zu erfassen und zu erforschen. Dies ähnelt der Arbeit der Athleten, die sich bestimmte Bewegungsabläufe imaginieren um sie in der tatsächlichen Ausführung zu optimieren. Es weist außerdem darauf hin, dass das Form Laufen eine meditative oder energetische Arbeit sein kann, bei der wir uns tief in den Fluss der Bewegung versenken. Dies kann einen neuen Raum öffnen, in dem wir viel über die spezifische Bewegungsdynamik der Techniken lernen, und die innere Logik der Form erfassen können.

Schließlich können Formen natürlich auch der Demonstration und dem sportlichen Wettkampf dienen. Es versteht sich von selbst, das Formen die für ein Publikum konzipiert sind, andere und dramatischere Aspekte in den Vordergrund stellen, als Formen, die dem Selbststudium oder der meditativen Versenkung dienen. Die Form der Form folgt eben auch ihrer (primären) Funktion, und deshalb sind die Formen des Wu Shu und des Taijiquan so verschieden.

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Sterben ist einfach, Töten ist schwer