Hart & Sanft

 
blog_hart_und_sanft.jpg
 

Es gib eine - meist unausgesprochene - Einteilung von Kampftechniken in “hart”, wozu Schläge und Tritte zählen, und “sanft” (oder “weich”) worunter in erster Linie Würfe, aber auch Hebeltechniken zu verstehen sind (Bodentechniken bilden eine eigene Kategorie).

Nur relativ wenige Stile messen harten und sanften Techniken gleiches Gewicht bei, etwa das Jiu Jitsu und eben Wu Li Quanfa. Die meisten Stile beschränken sich auf eine der Kategorien. Auch wenn etliche Stile der jeweils anderen Seite immerhin eine gewisse Aufmerksamkeit schenken, so fristet dieses Andere in der Regel ein Schattendasein. Das ist schade, und unter Selbstverteidigungsaspekten nicht besonders hilfreich, denn dadurch schränken wir unsere Möglichkeiten stark ein.

Es scheint offensichtlich, dass wir "harte" Techniken brauchen, wenn wir wirklich angegriffen werden. Müssen wir nicht irgendwie zurückschlagen um uns zu verteidigen? Aber einerseits ist es zwar recht leicht KO zu gehen, aber doch ziemlich schwierig KO zu schlagen. Und andererseits ist der Clinch, Klammern oder Greifen oft die zweite Aktion, und manchmal sogar die erste, und das ist natürlich die Stunde der "sanften" Techniken. Das heißt nicht, dass "harte" Techniken eigentlich nutzlos wären, im Gegenteil. Wir müssen die Wucht und Dynamik harter Schläge selber erfahren, um zu verstehen wie wir die Kraft dieser Angriffe nutzen können. "Sanfte" Techniken sind oft komplexer und benötigen mehr Übung um tatsächlich zum Einsatz gebracht werden zu können. Jab, Cross und Schwinger können nicht mit der gleichen (“sanften“) Technik beantwortet werden, obwohl sie für das ungeübte Auge auf den ersten Blick ganz ähnlich aussehen können. Um wirklich zu verstehen welcher Schlüssel auf welches Schloss passt, genügt es nicht theoretische Überlegungen anzustellen.

Im Gegensatz zu dem großspurigen Spruch, Angriff sei die beste Verteidigung, habe ich persönlich es in Selbstverteidigungssituationen immer als einen Vorteil empfunden, dass die "sanften" Techniken fast alle reaktiv sind. Ich bin eben nicht gezwungen den ersten Schritt in eine Situation hinein zu machen, in die ich überhaupt nicht hinein will. In der Anwendung sind die “sanften” Techniken weder so lässig, noch so sanft wie im Training, aber ein gelungener Wurf oder ein gut sitzender Hebel kann eine hitzige Auseinandersetzung schneller beenden als fliegende Fäuste, wenn es als Zeichen der Überlegenheit verstanden wird.

Zu wissen was ein harter Schlag kann, und was eher nicht, und wie sich das anfühlt wenn man einen fängt, sollte uns hierbei Sicherheit geben. Und diese Sicherheit läßt sich - abgesehen von echten Selbstverteidigungssituationen - nur mit geeignetem Training “harter” Techniken gewinnen. Damit sind wir wieder am Ausgangspunkt dieser Betrachtung, und ich hoffe ich konnte verständlich machen, wieso für mich beide Kategorien zu einer vollständigen Kampfkunst dazugehören. Und der Bodenkampf? Das ist ein schönes Thema für ein anderes Mal.

Bleibt zu sagen, dass die Bezeichnungen “hart” und “sanft” natürlich nicht wörtlich zu nehmen sind, wie jeder bezeugen kann, der die Wirkung eines Schulterwurfs oder Schulterhebels einmal selbst erfahren hat.

 
Zurück
Zurück

Wie ein Berg stehen, wie der Wind gehen

Weiter
Weiter

Kampfkunst