Kampfkunst

 
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Kampfkunst und Kampfsport werden häufig synonym verwendet, aber für mich sind sie so unterschiedlich wie Boxstudio und T'ai Chi Gruppe. Immerhin bin ich mit dieser Sicht grundsätzlich nicht allein, aber in der Art, wie jemand diese beiden Begriffe unterscheidet zeigt sich das dahinterstehende Interesse.

Die Wikipedia unterscheidet den Sport von der Kunst daran, ob es Wettkämpfe gibt. Die englische Wikipedia nutzt dieses Kriterium sogar noch stärker als die deutsche, da im englischen der Ausdruck 'martial arts' noch viel gängiger ist als 'martial sport'. Nun ist das natürlich kein ganz sinnloses Kriterium, und immerhin praktisch, insofern es eine einfache Unterscheidung ermöglicht.

Allerdings greift es in meinen Augen zu kurz. Sport ist in meiner Welt vor allem leistungsorientierte, körperliche Aktivität. Die Leistungsorientierung muss sich dabei nicht zwangsläufig in Wettkämpfen ausdrücken, auch die Steigerung der Fitness oder die Verbesserung der Gesundheit können solche Ziele sein. Und das sind natürlich alles völlig ehrenwerte Ziele.

Nur vielleicht ein bisschen oberflächlich. In der Tat bedeutet Kampfkunst für mich viel mehr. Da ist zum einen die Kunstfertigkeit, die aus der Praxis, der Erfahrung entspringt wie die Handwerkskunst, die Ingenieurkunst oder die ärztliche Kunst. Sie kann sich dann entfalten, wenn wir die Technik sicher beherrschen und nun in der Lage sind, Varianten zu erkennen und auszuführen. Dann zeigt sich eines der Wunder des Kampfkunstuniversums, das immer größer wird je mehr wir lernen, und darum niemals langweilig wird.

Zweitens enthält die Kunst ein Element der Selbstbefreiung und Selbstermächtigung. Das liegt auf der Hand, wenn wir aus Gründen der Selbstverteidigung zum Kämpfen gekommen sind. Aber auch wenn wir aus ganz anderen Gründen hier her kamen, tritt dieses Potential zu Tage. Wenn wir uns mit den existentiellen Situationen konfrontieren, die hinter den Übungen stehen - auch ein Judowurf ist auf der Straße weder spaßig noch harmlos - konfrontieren wir uns mit uns selbst und unseren stärksten Gefühlen: Angst, Wut, Zorn, Hass, vielleicht Trauer und Scham. Wer beim bloßen Sport bleibt, flieht diese Herausforderung. Zu versuchen diesen Schatz zu heben heißt, sich der Kampfkunst zuzuwenden.

Die Gründer des modernen, japanischen Budo, Jigoro Kano, Morihei Ueshiba und Gichin Funakoshi, waren sich darin einig, das das Training der Kampftechniken mit einer Schulung der Persönlichkeit einhergehen muss. Die ursprüngliche Brutalität des Kämpfens war ihnen deutlicher bewusst als uns heutigen Westlern, ganz einfach weil die Zeiten vor 100 Jahren brutaler waren als heute im Westen. Das ausgerechnet Judo heute zu einem reinen Leistungsport degeneriert ist, ist eine traurige Ironie der Geschichte.

Jedenfalls sind das die wichtigsten Gründe, wieso Kampfkunst für mich weit über das hinausgeht was Kampfsport seien kann, und immer auf die Entwicklung der Persönlichkeit zielt. Mit Wettkampf hat das nichts zu tun, sondern mit Haltung.

 
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Hart & Sanft