Hold me baby, hold me tight

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Kann ich einen Angreifer nicht einfach in den Polizeigriff nehmen und festhalten? Im Prinzip ja, aber:

Dies ist ein Nachtrag zum letzte Post, zu einem Aspekt der da etwas untergegangen ist. Dort habe ich behauptet, dass ein Angreifer der nicht aufhört anzugreifen kampfunfähig gemacht werden muss, und dass dies nur mit recht brutalen Mitteln zu bewerkstelligen sei. Insbesondere, das Verletzungen nicht ausgeschlossen werden können. Aber kann ich den Typ nicht einfach festhalten? Nein, einfach ist das jedenfalls nicht.

Wenn wir in der Zeitung lesen, das ein Übeltäter bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten wurde, dann sind ganz sicher die "Verteidiger" in der Überzahl gewesen, aber zumindest nicht zahlenmäßig unterlegen. Denn wenn ich jemanden festhalte, ist mindestens ein Arm blockiert. Halte ich zwei Personen fest, so sind meine beiden Arme damit beschäftigt, können also nichts weiter tun, während meine beiden Gegner noch je einen freien Arm haben. Das funktioniert also nicht und wir können daher festhalten: Gegen einen zahlenmäßig überlegenen Gegner scheidet die "Festhalten" Strategie aus.

Im Fünf Prinzipien Kung Fu gibt es eine bedeutende Anzahl sogenannter Kontrolltechniken, die grundsätzlich das Festhalten erlauben. Aber eine der der ersten Regeln die wir in diesem Zusammenhang lernen lautet: "Wer andere festhält bindet sich selbst" oder auch "Du kannst jemanden zwingen sich zu bewegen, aber nicht, sich nicht zu bewegen". Kontrolltechniken wie der berühmte "Polizeigriff" sind schlussendlich Hebeltechniken die das intuitive Bewegungsspektrum des Gegners schmerzhaft machen. Um diese Techniken gegen einen sehr aggressiven Gegner aufrecht zu erhalten, müssen wir bereit sein dessen (Selbst-) Verletzung in Kauf zu nehmen, denn der Schmerz ist ja gerade ein Warnsignal vor solchen Verletzungen. Adrenalin und Drogen wie Alkohol können das Schmerzempfinden aber so weit reduzieren, das sich der Angreifer buchstäblich den Arm auskugelt um aus der Technik zu entkommen. Außerdem gibt es aus jeder dieser Techniken Auswege, auch wenn sie gegen unsere intuitiven Bewegungsmuster laufen. Das bedeutet, selbst wenn wir einen sauberen technischen Ansatz haben, so haben wir dennoch eine mühevolle und fehlbare Aufgabe darin die Technik aufrechtzuerhalten.

Dies soll keinesfalls ein Plädoyer gegen Kontrolltechniken sein, im Gegenteil. Der Polizeigriff ist Millionenfach bewährt, und einige Kontrolltechniken sind so schmerzhaft, das sie bei den allermeisten Gegnern jeden Wiederstandwillen sofort kollabieren lassen. Bloß gibt es dafür, wie immer in den Martial Arts, überhaupt keine Garantie.

Außerdem gibt es noch ein bisher unerwähntes Problem: Wir müssen erst mal einen Ansatz oder Eingang in die Technik finden. Schließlich wird unser Gegner sich nicht einfach so in unsere Hände begeben. Das dies ziemlich schwierig ist, ist ein Grund dafür, dass Kontrolltechniken in MMA Turnieren nur eine untergeordnete Rolle spielen. Ich denke, aus eigener Erfahrung, das sie in Selbstverteidigungskontexten wichtiger, und leichter einzusetzen sind. Es wäre aber völlig unverantwortlich sie als Wundermittel anzupreisen.

Eine Selbstverteidigungssituation ist kein Videospiel und ich habe nicht beliebig viel Versuche. Kontrolltechniken und Würfe sind aus mehreren Gründen immer mein Präferenz, aber selbst diese können nicht effektiv eingesetzt werden, ohne Verletzungen in Kauf zu nehmen. Sie entfalten ihre Wirkung durch physischen Schmerz und psychologische Dominanz, aber sie führen nur zum "Sieg" wenn unser Gegner daraufhin aufgibt. Andernfalls bleibt nur die harte Tour.

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